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Nix verstehen – Wer trägt im Zweifel die Verantwortung?

Text: Kerstin Rügge | Foto (Header): © egemony – stock.adobe.com

Im Bauhof arbeiten häufig Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Besonders heikel wird es, wenn Sprachbarrieren zu Unfällen führen. Ein Sprachkurs darf zwar verlangt werden, lösungsorientiert ist jedoch meist etwas anderes.

Auszug aus:

der bauhofLeiter
Ausgabe Februar 2023
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Wenn am Arbeitsplatz aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse von den Beschäftigten nicht alles verstanden wird, was der Chef oder Kollegen sagen, wächst die Fehlerquote und der Arbeitsschutz ist in Gefahr. Haben ausländische Mitarbeiter Unterweisungen aufgrund ihrer Sprachprobleme nicht verstanden und es kommt zu einem Unfall, haftet der Arbeitgeber, denn der ist laut den geltenden Arbeitsschutzvorschriften dazu verpflichtet, jeden Arbeitnehmer über die arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und die notwendigen Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz zu unterweisen. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die nur unzureichende Deutschkenntnisse besitzen, so das Oberlandesgericht Frankfurt/ Main (Az.: 16 U 112/04).

 

Deutschkurs darf verlangt werden

Welche Sprache am Arbeitsplatz gesprochen und verstanden werden muss, ist weder gesetzlich geregelt, noch gibt es dazu eindeutige Rechtsprechung. Allerdings kann der Arbeitgeber aufgrund seines im Arbeitsrecht geregelten Direktionsrechts eine Sprache bestimmen, die im Betrieb gesprochen und verstanden werden muss. Kann ein Arbeitnehmer Arbeitsanweisungen nicht verstehen oder lesen, hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, von ihm zu verlangen, dass er einen Deutschkurs besucht.

Weigert sich der Arbeitnehmer, mit einem Sprachkurs seine Deutschkenntnisse zu verbessern, droht ihm eine Abmahnung, die letztlich zu einer Kündigung führen kann. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (Az.: 2 AZR 764/08) im Fall eines spanischen Arbeitnehmers entschieden, der eine Stellenbeschreibung beim Arbeitgeber unterschrieben hatte, wonach Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift für seine Arbeitstätigkeit verlangt wurden. Der Arbeitgeber finanzierte dem Mann einen Deutschkurs. Doch später fiel ihm auf, dass der Arbeitnehmer wichtige Arbeitsanweisungen in Deutsch nicht lesen konnte. Der Arbeitgeber forderte ihn erneut mehrfach auf, einen Deutschkurs zu besuchen und stellte ihm in Aussicht, dass er ansonsten eine Kündigung wegen mangelnder Sprachkenntnisse aussprechen werde. Der Arbeitnehmer weigerte sich weiterhin, an einem Sprachkurs teilzunehmen und erhielt die Kündigung. Gegen diese Kündigung klagte der spanische Arbeitnehmer. Er fühlte sich wegen seiner ethnischen Herkunft i. S. d. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) diskriminiert. Zu Unrecht, entschied letztinstanzlich das Bundesarbeitsgericht. Ein Betrieb kann von seinen Arbeitnehmern Deutschkenntnisse verlangen, wenn sie für die Arbeitstätigkeit notwendig sind. Dies stellt laut Gericht keine Diskriminierung nach dem AGG dar, sondern ist sachlich begründet. Die Kündigung des spanischen Arbeitnehmers war damit rechtmäßig.

 

Unterweisungen in Fremdsprachen

In der Praxis wird das Problem der Unterweisung von ausländischen Mitarbeitern mit mangelnden Deutschkenntnissen häufig damit gelöst, dass die Unterweisungen des Arbeitgebers zusätzlich als Flyer in den Muttersprachen der Beschäftigten zur Verfügung gestellt werden. Oft ist es auch von Vorteil, wenn ein zweisprachiger Mitarbeiter im Betrieb die Unterweisungen oder Arbeitsanweisungen für die Landesleute übersetzen kann.

Bei Betrieben mit hohem Ausländeranteil werden daher – sofern möglich – vermehrt zweisprachige Beschäftigte eingestellt. Haftungsrechtlich wichtig ist, dass sich der Arbeitgeber nach einer Unterweisung vergewissert, dass der ausländische Arbeitnehmer alles richtig verstanden und keine weiteren Fragen mehr hat. Werden Anweisungen dann falsch ausgeführt oder kommt es aufgrund der Sprachprobleme zu einem Unfall, haftet der Arbeitgeber nicht.

Die Autorin

Kerstin Rügge
Rechtsanwältin
www.rechtsinhalte.de

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