BAUMPFLEGE

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Text: Andreas Schulz | Foto (Header): © David Econopouly – stock.adobe.com

Fachkräfte, die sich um Bäume kümmern, sollten sich regelmäßig fortbilden. Das Angebot an Schulungen, Kursen und Ausbildungen ist groß. Andreas Schulz bietet daher einen Überblick, was es alles gibt – und zeigt auf, warum Weiterbildungen trotz aller Kosten wirtschaftlich sind.

Auszug aus:

der bauhofLeiter
Ausgabe Dezember 2023
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Der Bereich der kommunalen Baumunterhaltung gewinnt immer mehr an Bedeutung. Der verkehrssichere Erhalt der Baumbestände in ihrer vorgesehen Funktion, aber auch die Weiterentwicklung unter Berücksichtigung des Natur- und Artenschutzes sowie den wirtschaftlichen Begebenheiten setzen ein umfassendes Fachwissen voraus.

Das umfangreiche Schulungs-Angebot für die Baumpflege schließt sowohl die Fortbildung ein, also den weiteren Ausbau des bereits durch Ausbildung oder Studium aufgebauten Fachwissens, als auch die Weiterbildung, also den grundsätzlichen Aufbau von einschlägigem Fachwissen rund um den Baum. Zudem unterscheiden sich die Schulungen hinsichtlich ihres Inhalts und der damit einhergehenden Befähigung.

 

Arbeitssicherheit

Am Beispiel der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) lassen sich aus Sicht der Arbeitssicherheit folgende Qualifikationen aufführen, die zu unterschiedlichen Arbeitsverfahren/ Tätigkeiten befähigen:

Der Grundkurs Motorsäge im Gartenbau befähigt für den Einsatz von Motorsägen für landschaftsgärtnerische Pflegetätigkeiten, Fällung von Schwachholz bis 20 cm Brusthöhendurchmesser (BHD) sowie Holzbauarbeiten auf Baustellen.

Der Motorsägenlehrgang AS-Baum I vermittelt Kenntnisse für die Durchführung von gefährlichen Baumarbeiten sowie die Fällung und Aufarbeitung von Gehölzen über 20 cm BHD mit Motorsägen. Dieser Fachkundenachweis ist Voraussetzung für die Teilnahme an weiteren Lehrgängen wie Arbeitssicherheit Baum II oder Seilklettertechnik B.

Der Motorsägenlehrgang AS-Baum II vermittelt Kenntnisse und Fertigkeiten für die Durchführung von Baumarbeiten in der Baumkrone mit Hubarbeitsbühnen, besondere Schnitttechniken und das Abseilen von Stammstücken und Ästen.

Der Lehrgang SKT Fortbildungsstufe A vermittelt Grundkenntnisse in der Seilklettertechnik (SKT) wie Auf- und Abstieg, Bewegen im Baum und den Einsatz von Handsägen und -geräten.

Der Lehrgang SKT Fortbildungsstufe B baut auf dem Lehrgang SKT A auf und vermittelt neben weiteren Kenntnissen der Seilklettertechnik auch den Einsatz von motorisch angetriebenen Kettensägen. Die Befähigung ist wie eine Art Führerschein zu verstehen. Vermittelt werden – mit Ausnahme der seit der Novellierung der Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz (VSG) 4.2 erforderlichen Kenntnisse in der baumbezogenen Gefährdungsbeurteilung– eher Arbeitsverfahren und -techniken des Arbeitsschutzes. Baumkontrolle und -pflege spielen keine große Rolle.

Baumkontrolle

Im Bereich der Baumkontrolle gibt es viele zertifizierte Zusatzqualifikationen, von denen sich die zum FLL-zertifizierten Baumkontrolleur durchgesetzt hat. Die Qualifizierung ist i. d. R. mit einem Lehrgang verbunden, in dem rechtliche und fachliche Grundlagen sowie die Grundsätze der Baumkontrolle, aber auch Grenzen der Baumregelkontrolle vermittelt und am Baum geübt werden. Zum erfolgreichen Abschluss ist eine theoretische und praktische Prüfung zu bestehen. Der minimale Umfang des Vorbereitungskurses ist nicht genau festgesetzt, sollte jedoch mindestens 40 Unterrichtsstunden betragen.

Die Landwirtschaftskammer NRW bietet einen Kurs zum LWK-zertifizieren Baumkontrolleur an, der 100 Unterrichtsstunden umfasst und neben der theoretischen und praktischen Prüfung einen Pflanzenbestimmungstest beinhaltet. Voraussetzung ist jeweils ein Jahr Berufspraxis in der Baumkontrolle.

Baumpflege

Im Bereich der operativen Baumpflege hat sich die Qualifikation zum European-Treeworker (ETW) des EAC (European Arboricultural Council) als Mindeststandard für eine qualifizierte Baumpflege durchgesetzt. Der Vorbereitungskurs umfasst i. d. R. 120 Unterrichtsstunden und bildet einen soliden Einstieg in die praktische Baumpflege. Neben den baumbiologischen Grundlagen werden Kenntnisse und Fertigkeiten in der theoretischen und praktischen Baumpflege nach ZTV-Baumpflege, Baumkontrollen, Baumschutz auf Baustellen und Arbeitsschutz vermittelt. Die Kurse werden modular angeboten, wodurch man das Gelernte bereits während der Ausbildungszeit anwenden und vertiefen kann. Die Prüfung umfasst einen schriftlichen Teil und ein Fachgespräch sowie die Durchführung von Baumkontrollen mit Erläuterungsgespräch und Arbeitseinsätzen mit der Hubarbeitsbühne oder in der Seilklettertechnik im Baum. Durch den Arbeitseinsatz in der Prüfung wird zwischen ETW-Plattform (Hubarbeitsbühne) und ETW-Climbing (Seilklettertechnik) unterschieden. Voraussetzungen sind ein Jahr Berufspraxis in der Baumpflege, für ETW-Climbing ein Lehrgang SKT-B und für ETW-Plattform ein Motorsägenlehrgang AS-Baum II sowie eine gültige arbeitsmedizinische Tauglichkeit für „Gefährliche Baumarbeiten und Arbeiten“ und eine aktuelle Ersthelferbescheinigung.

Die Qualifikation European-Tree-Technican (ETT) baut auf den Kenntnissen und Fähigkeiten des ETW auf und umfasst neben einem höheren Fachwissen auch administrative Aufgaben wie Planen und Kalkulieren von Baumpflegemaßnahamen unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Die Qualifikation ist in etwa mit dem alten Fachagrarwirt Baumpflege vergleichbar. Die Prüfung umfasst einen schriftlichen Teil, die Ausführung einer Baumkontrolle und eine Prüfung im Bereich Wirtschaft, Recht, Soziales. Voraussetzung sind mindestens drei Jahre Berufserfahrung als ETW bzw. als Geselle in einem grünen Beruf oder mindestens fünf Jahre Berufspraxis in der Baumpflege.

Bei den bisher aufgeführten Fortbildungen ist eine Rezertifizierung erforderlich, bei der die Tätigkeiten oder Fortbildungen in einem gewissen Zeitraum nachgewiesen werden müssen und von der zertifizierenden Stelle geprüft werden. Diese Nachweise sind für Auftraggeber sinnvoll, um die Qualitäten des Auftragnehmers zu prüfen. Als öffentlicher Arbeitgeber stellt sich für die eigenen Kräfte die Frage nach dem Mehrwert einer Rezertifizierung (nicht jedoch für die Fortbildung an sich).

Der neue Fachagrarwirt Baumpflege oder Bachelor of Professional Baumpflege ist der höchste berufsständische Abschluss in der Baumpflege und auch leider der Einzige, der einen Berufsabschluss mit staatlicher Prüfung beinhaltet. Er entspricht wie auch der Gärtnermeister der 2. Fortbildungsstufe (§ 53a) des Berufsbildungsgesetzes oder dem DQR-Niveau 6 (Deutscher Qualifizierungsrahmen). Er umfasst drei Prüfungsteile:

  • Baumdiagnose und Baumpflegemaßnahmen (Teil 1)
  • Betriebs- und Unternehmensführung (Teil 2)
  • Mitarbeiterführung und Personalmanagement (Teil 3)

Die Themenfelder im Teil Baumdiagnose und Baumpflegemaßnahmen beinhalten alle wesentlichen Aspekte der Baumunterhaltung.

  • Baumkontrolle
  • Gehölzwert, Funktionen
  • Natur- und Artenschutz
  • Baumpflege inkl. Baumfällung
  • Baumschutz auf Baustellen
  • Baumpflanzungen
  • Standortverbesserung
  • Arbeitsschutz inkl. Baustellenabsicherung
  • Kalkulation und Vergabe
  • Berichtswesen/Controlling
  • Öffentlichkeitsarbeit

Die Prüfungen sind mit der Novellierung deutlich komplexer geworden und spiegeln das hohe Niveau wieder. So haben die Teilnehmer in Teil 1 zusätzlich zur schriftlichen Prüfung in einem Arbeitsprojekt nachzuweisen, dass sie komplexe Zusammenhänge der Baumpflege erfassen und analysieren sowie Lösungsvorschläge für betriebliche Aufgaben erstellen und umsetzen können. Für die Durchführung und Dokumentation haben die Kandidaten sechs Monate Zeit. Die Ergebnisse werden in einem Fachgespräch während der Prüfung vorgestellt. Auch in den Bereichen Betriebs- und Unternehmensführung, Mitarbeiterführung und Personalmanagement gibt es neben der schriftlichen Prüfung eine Fallstudie. In Teil 2 ist z. B. eine betriebswirtschaftlich relevante unternehmerische Entscheidungssituation über zwei Tage zu bearbeiten und in einem Fachgespräch zu erläutern. In vergangen Prüfungen mussten vor der Landwirtschaftskammer NRW schon Fahrzeugbeschaffungen konzipiert oder Firmenübernahmen bewertet werden, alles unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit und betrieblichen Strukturen. An der Prüfung können Personen teilnehmen, die eine Abschlussprüfung als Forstwirt, Gärtner oder Landwirt bestanden oder eine Abschlussprüfung in einem anderen anerkannten Ausbildungsberuf erfolgreich abgelegt haben und anschließend mindestens drei Jahre Berufspraxis in der Baumunterhaltung oder mindestens fünf Jahre Berufspraxis in der Baumunterhaltung haben.

Der Studiengang Bachelor of Sciences Arboristik wird an der HAWK Göttingen mit sechs Semestern und in Weihenstephan als Bachelor of Engineering Arboristik & urbanes Waldmanagement in sieben Semestern angeboten. Die Themenfelder variieren, aber umfassen wie der Fachagrarwirt Baumpflege alle Aspekte der Baumunterhaltung.

  • Stadtbaummanagement
  • Baumkontrolle und Verkehrssicherheit
  • Stadt- und Landschaftsplanung
  • Wirtschaftswissenschaften
  • Fachrecht
  • Kommunikation und Personalführung
  • urbanes Waldmanagement (Weihenstephan)

Je nach späterem Aufgabenschwerpunkt kann sowohl die berufsständische Fortbildung zum Bachelor of Professional Baumpflege als auch die akademische Ausbildung zum Bachelor of Sciences Arboristik oder als Bachelor of Engineering Arboristik & urbanes Waldmanagement von Vorteil sein.

Zurzeit ist hinsichtlich einer Eingruppierung im öffentlichen Dienst der Studiengang klar im Vorteil, da der Bachelor of Professional Baumpflege bisher nur operativ, also ausführend, im TVöD erwähnt wird und nicht in leitender Funktion, analog zu Meistern oder Technikern.

Wirtschaftlichkeit

Für Vorgesetzte und Arbeitgeber ist es unabdingbar, dass die Mitarbeitenden hinsichtlich ihrer Aufgaben ausreichend geschult sind, um den Erwartungen und Verantwortungen gerecht zu werden. Dies gilt insbesondere bei so sensiblen Themen wie der Verkehrssicherungspflicht und dem Erhalt der Bäume in ihrer gestalterischen, ökologischen und klimatischen Funktion. Der Wert eines Baums kann mit voller Funktionsübernahme am Ende der Entwicklungszeit schnell über 10.000 Euro betragen. Und jeder, der sich schon mal mit den Herstellkosten von neuen geeigneten Baumstandorten im Straßenraum auseinandergesetzt hat, weiß, welche Werte der Baumunterhaltung in Kontrolle und Pflege anvertraut werden. So müssen die Kosten für Fortbildungen in Relation mit den anvertrauten Werten und auch Folgen von unsachgemäßem Handeln gesetzt werden (Beispielrechnung für Kosten siehe Tabelle oben).

Die falsche Maßnahme nach der Baumregelkontrolle, eine unnötige Kronensicherung oder Baumuntersuchung oder auch ein falscher Schnitt bei der Baumpflege können erhebliche Kosten verursachen; besonders, wenn diese den Baum anhaltend schädigen, denn dann passieren i. d. R. direkt mehrere Dinge, die die Unterhaltungskosten auf Dauer erhöhen:

  • Lebensdauer und Reststandzeit verringern sich, was zu einer kürzeren kalkulatorischen Verteilung der Herstellungs und Entwicklungskosten des Baums führt.
  • Häufigkeit und Umfang von Baumkontrollen und ggf. auch die Notwendigkeit von Baumuntersuchungen nehmen zu.
  • Häufigkeit und Aufwand von Baumpflegemaßnahmen nehmen zu, insbesondere nach stark eingreifenden Schnittmaßnahmen oder dem Einbau von Kronensicherungen.

Eine gute Ausbildung der Mitarbeitenden bedeutet nicht, dass die Anzahl an Maßnahmen zur Verkehrssicherung sinkt. Sie hat jedoch zur Folge, dass besser zwischen erforderlichen/zielführenden und nicht erforderlichen/ zielführenden Maßnahmen abgewogen werden kann. Selbst bei einer konservativen Prüfung der Wirtschaftlichkeit ist der „Break Even Point“ (Gewinnschwelle) der Fortbildungskosten schnell erreicht.

Beispiele Einzelmaßnahmen

Eine Ersatzbaumpflanzung mit Substrataustausch und drei Jahren Entwicklungspflege im Straßenraum kostet je nach Region schnell zwischen 3.000 und 5.000 Euro, Zugversuch 1.500 Euro, Kronensicherung im Dreiecksverband 1.000 Euro usw.

Beispiele Unterhaltungskosten

Die Unterhaltungskosten vervielfachen sich i. d. R. nach stark eingreifenden Schnittmaßnahmen oder dem Einbau von Kronensicherungen. Geht man von durchschnittlichen Unterhaltungskosten von etwa 40 Euro pro Baum und Jahr aus, so betragen diese bei Bäumen, die eine regelmäßige Nachbehandlung oder einen Austausch der Kronensicherung (alle acht Jahre) erfordern, eher 200 Euro pro Jahr und mehr.

Die Kosten für Fort- und Weiterbildungen können ins Verhältnis zu den zu erwartenden Mehrkosten durch unsachgemäße Maßnahmen in der Baumpflege und ihre Folgen gesetzt werden. Salopp gesagt: Werden in der restlichen Dienstzeit nur zwei Bäume mehr erhalten, acht unnötige Einzelmaßnahmen verhindert oder bei zehn Bäumen nicht unnötig stark eingegriffen, hat sich die Fortbildung inkl. Ausfall/Freistellung bereits gelohnt.

Der Autor

Andreas Schulz Bereichsleitung Baumunterhaltung beim Aachener Stadtbetrieb; FLL-Baumkontrolleur, LWK-Baumkontrolleur, Fachagrarwirt für Baumpflege; Fachreferent, Berater und Autor zum Thema Baum; 2. Vorsitzender Fachverband Baumpflege

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