Einsatz im Gewerbe

E-Cargobikes – ein nachhaltiger Autoersatz?

Text: Inga Dora Schwarzer | Foto (Header): © Gemeinde Grefrath

Lastenräder mit E‑Antrieb liegen im Trend. Doch im gewerblichen Einsatz spielen sie (noch) eine untergeordnete Rolle. Es mangelt an Erfahrungen, Zahlen zur Wirtschaftlichkeit und Empfehlungen. Das versucht eine Berliner Agentur zu ändern. Ihr Credo: Erkenntnisse durch Ausprobieren.

Auszug aus:

der bauhofLeiter
Ausgabe Dezember 2023
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Die Wachstumskurve zeigt steil nach oben: Im Jahr 2022 wurden laut dem Zweirad-Industrie-Verband über 210.000 Lastenräder in Deutschland verkauft, drei Viertel davon mit Motor. Das erklärt, warum nicht nur die Zahl der Anbieter zunimmt, sondern auch die Vielfalt der ein- bis mehrspurigen Typen und Modelle, die hauptsächlich genutzt werden, um Waren und Güter zu transportieren oder eine Dienstleistung am Zielort zu erbringen.

 

Vorteile der E‑Lastenräder

Die E‑Cargobikes punkten v. a. mit einer niedrigen Lärm- und Luftbelastung. „Sie erzeugen weniger Emissionen und sind umweltfreundlicher als herkömmliche Autos. Ihr Stromverbrauch ist zudem deutlich geringer als der von E‑Autos. Sie verbrauchen aber mehr Ressourcen als Lastenräder ohne elektrischen Antrieb oder die klassischen ‚Drahtesel‘“, sagt Yvonne Hagenbach, Pressesprecherin der Berliner Verkehrswende-Agentur „Cargobike. jetzt“. Laut Umweltbundesamt werden die Treibhausgasemissionen zur Herstellung eines Lithium-Ionen-Akkus nach 100 E‑Bike-Kilometern ausgeglichen, wenn dafür gleichzeitig 100 Pkw-Kilometer eingespart wurden (abhängig von der Akku-Leistung).

Der Klimaschutz sei aber als Kaufaspekt für viele Betriebe eher nebensächlich, viel mehr käme es ihnen auf eine verantwortungsvolle Anschaffung und Nutzung von Transportmitteln an. „Woher kommen die Ressourcen, wie lange ist der Nutzungszyklus, wie hoch sind die Entsorgungskosten?“, weiß die Expertin.

Was wesentlich zur Kaufentscheidung beiträgt, ist die Flexibilität der E‑Lastenräder. Sie kommen dorthin, wo das Autofahren verboten ist. Direkte Wege werden möglich, Fahrten planbarer. „Die Unternehmen, die bereits jetzt auf Lastenräder setzen, tun dies v. a. aufgrund wirtschaftlicher Aspekte, z. B. des geringen Platzverbrauchs, der Zeitersparnis durch weniger Stau und Parkplatzsuche sowie weniger Folgekosten aufgrund von Unfällen“, sagt Hagenbach.

Tipp für die Finanzierung

Noch bis zum 29. April 2024 wird der Kauf von gewerblich genutzten E‑Lastenfahrrädern und -anhängern mit elektrischer Antriebsunterstützung offiziell bezuschusst – mit einer Prämie von 25 Prozent, maximal aber 2.500 Euro, vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Die Antragstellung erfolgt über ein Onlineformular auf www.bafa.de. Laut Yvonne Hagenbach soll diese Frist verlängert werden. Allerdings sei die Ausgestaltung noch offen.

Hemmnisse abbauen

Weitere Pluspunkte: Die Lastenräder können ohne Führerschein gefahren werde und tragen zur Gesunderhaltung der Mitarbeiter bei. Ihr Außeneinsatz dient außerdem dem Imagegewinn, weil sie von Kunden und der Öffentlichkeit als positives Engagement für Nachhaltigkeit wahrgenommen werden.

Doch noch immer spielen sie im gewerblichen Einsatz eine untergeordnete Rolle. Warum eigentlich? „Gewerbliche Lastenräder sind noch wenig in der Breite bekannt – v. a. in Bezug auf Modellvielfalt und Anwendungsmöglichkeiten. Verschiedene Fragen müssen geklärt sein: Was wird transportiert, wie schwer, wie sperrig und wie empfindlich sind die Transportgüter? Oder wie muss das Rad und v. a. der Aufbau konzipiert sein?“, äußert Hagenbach.

Leider fänden Unternehmen bisher nur wenige Antworten auf ihre Fragen. Ferner gebe es kaum Gesamtkostenanalysen (Total Cost of Ownership) zu E‑Lastenrädern als Nutzfahrzeuge – von der Anschaffung über Versicherungen bis hin zu Einsparungen gegenüber herkömmlichen Kfz-Flotten. Diese Mängel seien häufige Hinderungsgründe für den Erwerb.

Im Vergleich zu anderen Rädern gibt es die E‑Cargobikes außerdem noch nicht so lange in der jetzigen Vielfalt auf dem Markt. „Natürlich gab es früher schon Einzelbauten, mit denen Lasten transportiert wurden – der Klassiker des Lastentransports per Bike ist das Post-Fahrrad. Was es nun braucht, sind Erfahrungen mit Modellen, Bedarfen, aber auch Grenzen des Lastenrad- Transports. Diese Erkenntnisse kann man nur in der Praxis gewinnen“, bekräftigt die Expertin. Durch das Ausprobieren würden die meisten Hemmnisse von selbst verschwinden.

Gemeinde Grefrath (NRW):

Seit März 2023 nutzt der Grefrather Bauhof zwei E‑Lastenräder. „Sie werden v. a. für Kontrollfahrten genutzt – Spielplatz-, Baum- und Streckenkontrollen“, sagt Bauhofleiter Daniel Thönes. Hierfür benötigten die Mitarbeiter lediglich einen Laptop zur digitalen Erfassung der Kontrollergebnisse sowie kleineres Werkzeug, was mit den Lastenrädern bequem transportiert werden könne. Das Suchen nach einem Auto-Stellplatz entfalle, es könne direkt an den entsprechenden Ort herangefahren werden. Ihren Einsatz finden die Räder zusätzlich bei internen Dienstfahrten (u. a. zum Rathaus). „Auf kurzen Strecken ist man mit dem Rad genauso schnell oder sogar schneller als mit dem Auto. Hinzu kommt, dass man mit dem Rad andere Wege nutzt und so auch andere Stellen im Gemeindegebiet im Blick hat. Und nicht zuletzt macht es Spaß, damit unterwegs zu sein“, so Thönes weiter. Nur bei schlechtem Wetter, größerem Material oder längeren Strecken würde auf das Auto zurückgegriffen. „Lastenräder können die Autos nicht vollständig ablösen, aber für die genannten Fahrten sind die Räder eine gute und umweltfreundliche Alternative“, meint der Bauhofleiter. Die Beklebung mit der Gemeinde-Silhouette soll dabei nicht nur als Hingucker dienen, sondern ein positives Bild der Kommune in puncto nachhaltige Mobilität vermitteln.

Praktische Studien

Deshalb setzt die Agentur auf Projekte wie „Flottes Gewerbe“ und „Ich entlaste Städte 2“, bei denen Betriebe und Selbstständige aus verschiedenen Branchen zu Test-Pionieren werden. „Sie erproben eine neue Mobilität, und in Zukunft können andere ähnliche Unternehmen von ihren Erfahrungen profitieren. Und nicht nur sie, sondern auch Hersteller und Kommunen. Die Ergebnisse unserer Projekte generieren Empfehlungen, Best-Practice-Beispiele, Aussagen zu Wirtschaftlichkeit – unter Einbezug von Reparatur- und Wartungskosten – sowie über eine effiziente Flottengestaltung, die ja nicht allein aus Lastenrädern bestehen muss“, fasst Hagenbach zusammen. Wichtig sei, nicht gleich in Entweder-Oder-Kategorien zu denken. Nicht jeder Betrieb könne ausschließlich E‑Lastenräder einsetzen, aber in Kombination mit größeren Fahrzeugen könnten schon jetzt etliche Fahrten von Verbrennern eingespart werden.

Vorreiter ist aktuell die Logistik-Branche, also Kurier- und Paketdienste. Die vielen Stopps, die relativ geringe Fahrleistung, die kurze Verweildauer und das innerstädtische Fahren zur Rushhour lassen die Bikes an den herkömmlichen Transportmitteln mit Verbrennungsmotor vorbeiziehen. „Aber auch für Handwerk, Gartenbau oder Gebäudereinigung eignen sich Lastenräder“, ist sich die Pressesprecherin sicher. Kundenbesuche, Einzelaufträge, Baustellenbesuche – wer viele Stationen anfahre, überschaubare Transportgüter habe und innerstädtisch unterwegs sei, sei damit sehr viel flexibler und schneller unterwegs als mit dem Auto.

Stadt Griesheim (Hessen):

2020 schaffte der Bauhof der Stadt Griesheim sein erstes E‑Lastenrad an. „In der Coronazeit diente es zur Entzerrung der Fahrzeugbesatzung in der Stadtreinigung. Ein Mitarbeiter übte die Aufgaben der Stadtreinigung mit dem Lastenrad aus, also das Auflesen von Unrat, Auffüllen von Kot- und Müllbeuteln und Leeren von Abfallkörben. Die gefüllten Müllsäcke wurden an bestimmten Ablagestellen deponiert und von einem Kollegen mit dem Fahrzeug aufgenommen und abgefahren“, erklärt Carolin Handschuh vom Hauptamt der Stadt. Derzeit wird das Rad als Transportmittel für Baustellenbesuche und zur Wahrnehmung von Terminen im Stadtgebiet genutzt. Zwei Jahre später folgte ein weiteres E‑Modell, das jetzt die Aufgaben des ersten erfüllt und speziell in der Fußgängerzone der Innenstadt seinen Dienst verrichtet. „Der große Vorteil besteht darin, den schmalen Verkehrsraum nicht mit einem Fahrzeug zu blockieren“, sagt Handschuh. Die Lastenräder seien eine ergänzende Möglichkeit, um insbesondere im verkehrsberuhigten Bereich verschiedene Tätigkeiten auszuüben, für die sonst ein größeres Fahrzeug benötigt wird.

Neue Möglichkeiten schaffen

Da der Platz v. a. in den Städten begrenzt ist, könne man davon ausgehen, dass Politik und Verwaltung den Verkehr weiter regulieren (müssen). Gerade auf der letzten Meile würden die elektrischen Cargobikes zum „Gamechanger“ werden. „Mit Zuladungen von bis zu 250 Kilogramm können sie viele Transportwege im urbanen Bereich ersetzen“, meint Yvonne Hagenbach. Der Radlogistikverband Deutschland geht derzeit von einem Potenzial von mindestens 30 Prozent aus. Das Team der Berliner Verkehrswende- Agentur ist daher überzeugt, dass Lastenräder in Zukunft ganz selbstverständlich zum Verkehrsbild in Städten gehören – sowohl privat als auch gewerblich.

Dafür braucht es aber entsprechende Rahmenbedingungen. Neben höheren Förderungen beim Umstieg auf klimafreundliche Mobilität wäre eine gute Infrastruktur wichtig. „Die Radlogistik-Branche ist bereit, viele Kommunen sind es auch – es fehlen aber Gestaltungsspielräume, bessere Marktbedingungen, insgesamt einfach Ressourcen für eine flächendeckende Umsetzung von infrastrukturellen Bedingungen“, bemängelt Hagenbach und nimmt die Politik in die Verantwortung.

Mitmachprojekt: „Ich entlaste Städte 2“

„Ich entlaste Städte 2“ ist ein Projekt des Instituts für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Zusammenarbeit mit „cargobike.jetzt“. Im Rahmen realer Praxistests sollen Strategien zur Umstellung gewerblicher Verbrennungsmotor-Fahrzeugflotten auf emissionsfreie Mobilitätskonzepte entwickelt werden. Teilnehmer erhalten eine Fuhrpark und Mobilitäts-Beratung sowie bis zu zwölf Monate lang eine passgenaue Testflotte aus Lastenrädern bzw. Leichtelektromobilen zur gewerblichen Nutzung. Infos gibt es auf: www.lastenradtest.de

Für die Zukunft bereit?

Es könnten z. B. mit der StVO und Ausnahmeregelungenviele Vorteile für Lastenrad-Transporte geschaffen werden. „Gerade bei der Infrastruktur muss jetzt schon in der Planung bedacht werden, dass die heutigen Anforderungen in Zukunft nicht reichen werden. Insgesamt ist entscheidend, wie attraktiv ein Angebot ist, sonst kommt es nicht in die Breite und kann dann den gewünschten Effekt für eine menschen und umweltorientierte Gesellschaft nicht entfalten“, betont Hagenbach abschließend.

Die Autorin

Inga Dora Schwarzer Freie Journalistin, ist bereits seit über zehn Jahren als selbstständige Autorin aktiv und veröffentlicht diverse Fachartikel in Print- und Online-Medien.

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