ERFAHRUNGSBERICHTE UND INTERVIEWS

Weiterbildung in der Grünflächenpflege

Text: Dipl.-Ing. Maria Bach | Foto (Header): © LVGA

Eine schöne Grünfläche ist nicht nur ein Blickfang, sondern hat zahlreiche weitere Vorzüge. Die Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau und Arboristik (LVGA) und weitere Organisationen beschäftigen sich mit der richtigen Pflege.

Auszug aus:

der bauhofLeiter
Ausgabe Mai 2022
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Die Zahl der jährlich beobachteten Tornados stieg zwischen 1986 und 2020 von unter zehn auf 50 an. Ob es sich jedoch wirklich um eine Zunahme des Wetterphänomens handelt oder nicht eher nur die Zahl technisch gut ausgestatteter Beobachter stieg – da mögen sich die deutschen Wetterexperten nicht festlegen. Wer hatte vor 35 Jahren so wie heute schon immer gleich die Kamera im Handy dabei?

Wissenschaftlich gesichert dagegen sind der Anstieg der Jahresmitteltemperatur, die Wärmerekorde der letzten Jahre und zunehmend länger werdende Trockenperioden („Was wir heute über das Extremwetter in Deutschland wissen“, DWD 2021). Die heimische Vegetation leidet und zeigt erste Ausfälle.

Öffentliche Grünanlagen mit ihren Parkanlagen, Wechselbepflanzungen, dem Straßenbegleitgrün und unzähligen Stadtbäumen sind oft das Aushängeschild von Kommunen. Bei guter Pflege bieten sie Erholung, beruhigen das Auge und die Nerven, bieten Lärm- oder Sichtschutz, sind Nahrung und Unterschlupf für Vögel, Insekten und Kleinlebewesen und bilden die „grüne Lunge“ der Stadt. Die Liste positiver Effekte und Funktionen kommunalen Grüns ist lang und vielseitig, die Liste der Aufgaben kommunaler Grünpflege vermutlich länger und mindestens ebenso vielseitig. Die Ressourcen aber sind oft knapp und der Pflegeaufwand wächst durch zunehmend längere Trockenperioden und die zunehmend intensive Nutzung wohnraumnahen Grüns.

Gut gepflegt trotz knapper Ressourcen

Der fachgerechten Pflege öffentlichen Grüns trotz dieses „Spagats“ widmet sich das in Berlin entwickelte „Handbuch Gute Pflege“. Es enthält Qualitätsanforderungen und Pflegestandards unter Berücksichtigung sozialer, ökologischer und gartenkünstlerischer Ansprüche. Auf Pilotflächen wird seit 2018 berlinweit die Praxistauglichkeit des Handbuchs untersucht. Die bisherigen Ergebnisse sind gut. Eine Online-Karte der Berliner Senatsverwaltung zeigt die ausgewählten Orte mit Fotos und liefert Informationen zum Pflegekonzept (www.berlin.de/handbuch-gute-pflege).

Mitarbeitende kommunaler Einrichtungen oder von Fachbetrieben, die mit der Planung und Durchführung von Grünpflege und Freiflächenmanagement betraut sind, können sich an der LVGA in Großbeeren zum Umgang mit dem Handbuch „Gute Pflege“ weiterbilden lassen. Auch das Planen und Erstellen von Jahres-, Monats- und Wochenplänen, deren Aufbereitung als Zeitstrang oder das Weiterverarbeiten von Pflegeplänen zu Arbeitsaufträgen wird hier anhand praktischer Übungen vermittelt, Kontrolle und Dokumentation eingeschlossen.

Vorrausschauende Pflanzwahl
Um in Zukunft schon bei Neuanlagen mit Pflanzen zu arbeiten, die an zunehmende Trockenzeiten angepasst sind, wird auf den Flächen der LVGA nach besonders langlebigen, robusten, bienenfreundlichen und ästhetisch wertvollen Pflanzen geforscht (Projekt KukPiK). Beauftragt und gefördert von der Berliner Senatsverwaltung, erhofft sich die LVGA hieraus konkrete Handlungsempfehlungen für die zukünftige Bepflanzung der Stadt. Auch unterschiedliche Rückschnittmethoden (z. B. Kreiselschere am Freischneider) oder eine ökologische Unkrautbeseitigung mittels Heißschaum auf Natursteinwegen werden untersucht und ausgewertet. Von den Erkenntnissen profitieren die Teilnehmenden der Weiterbildung direkt.

Nach dem Sturm ist vor dem Sturm – wie wichtig ist Baumkontrolle?

Im Oktober 2019 fiel im Berliner Grunewald unverhofft und bei ruhiger Witterung ein hundertjähriger Ahorn aus zweiter Reihe auf einen vorbeifahrenden Pkw und erschlug dabei dessen Fahrerin. Spätere Untersuchungen ergaben, dass ein Hallimasch (also ein Pilz) das Innere des Baumes nahezu komplett zersetzt und der Baum so seine Standfestigkeit verloren hatte. Der Beifahrer und Ehemann der Frau überlebte den Unfall und verklagte den zuständigen Revierförster auf fahrlässige Tötung. In Fachkreisen wurde der Prozess als Quasi-Präzedenzfall intensiv verfolgt und diskutiert. Vermeintlicher Konsens hinter den Kulissen: Der Fall sei klar, die Verantwortlichkeit lag beim Förster. Das Gericht jedoch entschied im März 2022 auf Freispruch: Ein Verletzen der Sorgfaltspflicht seitens des Försters sei nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachzuweisen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Witwer erwägt, Rechtsmittel einzulegen.

Die Branche wird das Geschehen mit Spannung weiterverfolgen, denn Baumeigentümer sind zur jährlichen Kontrolle der Verkehrssicherheit ihrer Bäume verpflichtet – entweder selbst oder indem Fremdleistung eines Sachverständigen eingekauft wird. „Die Rechtsprechung in diesem Bereich wird zunehmend strenger und häufig bekommt der Klagende Recht“ erklärt Maria Köpnick, Ausbilderin für FLL-zertifizierte Baumkontrolleure an der LVGA. Sie berichtet, so manche Kommune habe an die 50.000 Bäume zu kontrollieren und schätzt, ein erfahrener Baumkontrolleur könne jährlich 5.000-8.000 Bäume sichten. Die Nachfrage nach einer Ausbildung zum FLL-zertifizierten Baumkontrolleur boomt entsprechend. Ein einwöchiges Seminar mit Prüfung hierzu kann von Gärtnern ebenso wie Quereinsteigern belegt werden, sobald diese nachweislich ein Jahr in der Baumpflege tätig waren.

Wer Bäume pflegen will, erlernt am besten das Arbeiten mit der Motorsäge am Boden oder in der Hubarbeitsbühne (ASB 1&2). Für das Klettern im Baum bietet die renommierte Münchner Baumkletterschule am Großbeerener Standort Kurse zur Seilklettertechnik. Wichtige Themenbereiche bilden die Kronensicherung und eine fachliche Schnittführung.

Vielseitig sind die europaweit standardisierten Baumpflege-Ausbildungen zum European Treeworker (ETW) und European Tree Technician (ETT). Hier geht es fundiert um Artenkenntnis, Abschottungsverhalten von Bäumen, Schnittmaßnahmen, Kronensanierung, Wurzelschutzmaßnahmen bei Baustellen u.v.m., der ETT als Techniker befasst sich zudem mit verwaltungsrelevanten Themen, dem Kalkulieren sowie Anleiten und Kontrollieren von baumpflegerischen Tätigkeiten. Zahlreiche weitere Kurse der LVGA widmen sich beispielsweise dem Pflanzen von Jungbäumen, der Gehölzwertermittlung (zum Beispiel für Ersatz nach Schaden), der Baumbegutachtung mittels Technik oder der Ausbildung zum Obstbaumwart.

Artenschutz vs. Baumpflege?
„Baumpflege und Artenschutz kollidieren häufig“, weiß Peer Wischenkow, Koordinator der Baumpflege und Arboristik, „und Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“. Das Bundesnaturschutzgesetz sieht strenge Strafen bis hin zum Freiheitsentzug für das Schädigen von Habitaten streng geschützter Arten wie z. B. Fledermäusen vor. „Um die Möglichkeiten der Baumpflege auszuschöpfen und sich nicht drohenden Bußgeldern oder Freiheitsstrafen auszusetzen, sollte der Baumpfleger die Grenzen des Gesetzes und die Verantwortung seines Handelns kennen“, rät Wischenkow. Als Dozent unterrichtet er künftige Sachkundige für Baum-Habitatsstrukturen im Erkennen von artenschutzrelevantem Besatz in Bäumen.

Mitarbeiterbindung durch Weiterbildung

Gut ausgebildete Mitarbeiter arbeiten versiert und wertsteigernd. Zeitnah zu erledigende Aufträge können in Eigenleistung schnell und kompetent abgearbeitet werden, ohne oftmals teurere Fremdleistung einkaufen und lange auf verfügbare Termine warten zu müssen. In Zeiten des Fachkräftemangels bildet die berufliche Weiterbildung einen wesentlichen Beitrag zur Mitarbeiterbindung. Eine individuelle Förderung schätzen motivierte und wissbegierige Mitarbeiter als nicht-monetären Anreiz und Gewinn für ihre persönliche Weiterentwicklung. Positive Rückmeldungen zu neuen Kenntnissen und Handlungsfeldern stärken die Belastbarkeit und das Selbstbewusstsein; die erfahrene Wertschätzung steigert die Identifikation und das Gefühl, Teil eines Ganzen zu sein. Zufriedene Angestellte werden ihren Arbeitgeber weiterempfehlen.

Die LVGA

Die Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau und Arboristik e.V. (LVGA) als zertifiziertes Bildungszentrum vor den Toren Berlins ist einer der größten Anbieter für die Grüne Branche in Deutschland. Ein qualifiziertes Dozenten-Team bildet in modernen Seminarräumen und einem vielseitigen Freiflächenangebot praxisnah Fach- und Führungskräfte sowie interessierte Privatpersonen in GaLaBau, Freiflächenund Baumpflege aus und weiter. Uwe Mehlitz, Koordinator der Weiterbildung, betont: “Wichtig in den Seminaren ist uns, dass die Kursteilnehmer nicht den ganzen Tag in den Unterrichtsräumen sitzen, sondern das frisch Erlernte auf unseren Flächen hier vor Ort durch praktisches Anwenden und eigene Erfahrungen festigen. Die Ausbilder kommen sämtlich aus der Praxis und bringen ihre Erfahrung in den Kursen mit ein.“ Informationen zu den Fort- und Weiterbildungsseminaren finden Sie in der Seminarsuche auf der Website der www.lvga-bb.de.

Die Autorin

Dipl.-Ing. Maria Bach ist Landschaftsplanerin, Gärtnerin im Landschaftsbau und Obstbaumwartin. An der LVGA unterrichtet sie in der Überbetrieblichen Ausbildung GaLaBau-Azubis und koordiniert im Bereich Weiterbildung den Obstbaumwart.

www.lvga-bb.de

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