TIPPS UND INFOS

Vertikutieren – wann und wie?

Text: Matthias Ziegler | Foto (Header): © Alex – stock.adobe.com

Wenn es um optimale Rasenpflege geht, gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Dingen zu beachten. Als unbedingt notwendiges Allheilmittel gilt dabei vielerorts das Vertikutieren. Doch wann und wie genau ist dies überhaupt empfehlenswert?

Auszug aus:

der bauhofLeiter
Ausgabe April 2022
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Das Hegen und Pflegen eines ansehnlichen und belastbaren Rasens ist eine schwierige und zeitaufwendige Aufgabe. Die Suche nach dem richtigen Dünger, regelmäßiges Schneiden und Bewässern sowie das Regeln des pH-Wertes sind nur einige der anfallenden Maßnahmen.

 

Problem: Rasenfilz

Häufiges Ärgernis, besonders bei noch jungen Rasenflächen, ist der sogenannte Rasenfilz. Bei älteren Plätzen hingegen, wo die letzte Neusaat schon mehrere Jahre zurückliegt, tritt das Problem eher selten auf. Rasenfilz besteht aus abgestorbenen Gräsern, Moos und anderem organischem Material. Das größte Problem für den Rasen ist, dass das Totmaterial eine Art Blockade errichtet: Sowohl die Wasserdurchlässigkeit als auch die so wichtige Nährstoffzufuhr werden gehemmt. Durch den gebremsten Gasaustausch verschlechtert sich das Wurzelwachstum, zudem wird das Grün anfälliger für Krankheitserreger und Pilzsporen. Bei starker Verfilzung kann der Rasen im schlimmsten Fall „ersticken“. Bekannteste Lösung gegen Rasenfilz ist das Vertikutieren.

Bei besonders stark beanspruchten Rasenflächen, etwa Fußballplätzen, scheint regelmäßiges Vertikutieren unumgänglich zu sein. Gerade hier lässt sich Rasenfilz nur schwer vermeiden. Helfen kann eine gleichmäßige starke Beanspruchung der Fläche, etwa mit beweglichen Toren. Auf keinen Fall sollte hingegen ein Rasen vertikutiert werden, der erst vor Kurzem gesät wurde. Hier wäre die Gefahr groß, die frischen und noch nicht stark genug verwurzelten Halme irreparabel zu schädigen. Ob ein Rasen vertikutiert werden sollte, ist vom einzelnen Fall abhängig. Kahle Stellen, eine dichte Moosdecke und viel Unkraut sprechen für einen Bedarf. Liegen diese Probleme jedoch nicht vor, kann auch auf das Vertikutieren verzichtet werden. Stark beanspruchte (Sport-)Rasen können bei Bedarf auch mehrfach im Jahr vertikutiert werden, wobei auf Ruhephasen und passende (Witterungs-)Verhältnisse geachtet werden muss.

Der Vorgang

Beim Vertikutieren wird die Grasnarbe durch rotierende Messer im Abstand von zwei bis drei Zentimeter und maximal drei Millimeter tief vertikal angeschnitten – daher auch der Name. Dadurch wird der Bewuchs gelockert, Filz durchschnitten und die ganze Materie zugänglicher für eine gute Belüftung gemacht. Beim Vertikutieren sollte nie für längere Zeit auf einer Stelle verharrt werden; stattdessen ist es empfehlenswert, den Rasen systematisch, langsam und gleichmäßig zunächst horizontal, dann vertikal „abzuarbeiten“. Das Schnittgut, das bei manchen Geräten direkt in einem Fangkorb landet, sollte vom Rasen entfernt werden, kann jedoch aufgrund seines Nährstoffreichtums als Kompostmaterial verwendet werden.

Dem Vertikutieren sollte eine Düngung vorangehen. Durch diese werden die Grashalme nochmals kurzfristig „gestärkt“ und können so den durchaus intensiven Eingriff besser überstehen. Rasen benötigt hauptsächlich Stickstoffdünger, auch Spurenelemente wie Eisen oder Magnesium sollten jedoch extern zugeführt werden. Durch regelmäßige Bodenuntersuchungen kann ein eventueller Nährstoffmangel gefunden und behoben werden. Dadurch wird der Rasen resistenter und es bildet sich weniger Moos. Zudem sollte der Rasen frisch genäht sein, damit die Klingen auch problemlos bis zur Grasnarbe reichen. Wichtig ist auch, dass der Untergrund trocken ist. In einem nassen Untergrund greifen zwar die Klingen gut, was insbesondere bei der mühsamen Arbeit mit einem Handvertikutierer verlockend erscheint, es besteht jedoch die Gefahr, die Pflanzen irreparabel zu schädigen. Auch die Außentemperatur spielt eine Rolle. Als idealer Zeitpunkt für das Vertikutieren gilt das Frühjahr, am besten ab April. Bei außergewöhnlich warmen Verhältnissen kann bereits vorher losgelegt werden, die Temperaturen sollten jedoch nicht unter zehn Grad Celsius fallen. Bei Rasenflächen, die im Schatten von Bäumen liegen, empfiehlt es sich zu vertikutieren, wenn die Baumkronen kahl sind.

Wichtig ist, dass der Rasen nach dem Vorgang eine Ruhepause erhält. Vertikutieren ist ein durchaus intensiver Eingriff für die Pflanzen, sodass weitere unmittelbare Belastungen zu vermeiden sind. Bei Zierrasen lässt sich dies natürlich leichter umsetzen als bei Fußballplätzen, wo am besten eine spielfreie Zeitspanne gewählt wird.

 

Aerifizieren – Alternative oder Zusatz?

Neben dem Vertikutieren ist eine zweite Behandlungsmaßnahme weit verbreitet. Beim Aerifizieren wird der Boden nicht mit Klingen geschnitten, sondern mit Spitzen gelöchert. Ziel ist eine bessere Durchlüftung und Wasserdurchlässigkeit. Zwar wird dabei auch Rasenfilz entfernt, allerdings nur in überschaubarem Rahmen. Das Aerifizieren ist somit keine Alternative zum Vertikutieren, kann jedoch als zusätzliche Maßnahme sinnvoll sein. Pro Quadratmeter können mit verschiedenen Hilfsmitteln, wie Nagelschuhen, Aerifiziergabeln oder auch elektrischen Geräten, bis zu 400 rund sechs Zentimeter tiefe Löcher gestochen werden. Die damit hervorgerufene starke Durchlüftung dient auch als Vorbeugemaßnahme gegen zukünftige starke Rasenfilzbildung – und kann somit helfen, dass im nächsten Jahr auf das Vertikutieren verzichtet werden kann.

 

Die Nachbereitung

Um einen Rasen weiterhin in voller Pracht zu erhalten und die Mühen des Vertikutierens zu reduzieren, empfiehlt es sich, das Grün zu besanden. Durch diesen Vorgang werden Unebenheiten im Boden korrigiert, der Rasen wird belastbarer und der Boden bleibt locker, was gegen Staunässe schützt. Der verwendete Sand sollte fein sein, kein Bausand oder Kies. Zu empfehlen ist kalkarmer Quarzsand, der mit einem Streugerät verteilt und anschließend mit einem Besen oder Rechen in den Boden „eingearbeitet“ werden kann.

Haben sich im Rasen bereits kahle Stellen gebildet, sollte dort nach dem Vertikutieren und Besanden direkt frischer Rasen eingesät werden. Solche Stellen sind schließlich äußerst anfällig für ungewollte (Un-)Kräuter. Eine möglichst hohe Bodentemperatur sorgt für ein besseres Keimen. Nachdem der Rasen im Anschluss seine wohlverdiente Ruhepause erhalten hat, wird er erst nach etwa vier Wochen wieder gemäht. Nicht zu vergessen ist zudem das Düngen, damit das Grün die stärkenden Nährstoffe erhält.

Zuviel Dünger kann – erst recht, wenn er zur falschen Zeit zum Einsatz kommt – zu großen Problemen führen. Ein Überangebot kann eine sinkende Resistenz gegenüber äußeren Einflüssen und (Winter-)Krankheiten zur Folge haben. Beim Stickstoffdünger gibt es darüber hinaus jedoch noch weitreichendere Probleme: Bei einem Einsatz zur falschen Zeit, wenn der Boden also kaum Nährstoffe aus der externen Zufuhr aufnimmt, kann der übrige Dünger in Form von Nitrat durch Auswaschungen ins Grundwasser gelangen. Zudem besteht die Gefahr, dass Bakterien den Dünger umwandeln, wobei das Treibhausgas Distickstoffmonoxid/Lachgas entstehen kann. Beides ist aus umwelttechnischer Sicht höchst bedenklich und sollte tunlichst vermieden werden. Allgemein empfiehlt es sich, organische Dünger zu verwenden. Nicht nur liegt hier eine merklich geringere Schwermetallbelastung vor, auch unterstützen organische Dünger den Boden stärker als mineralische.

Regulation des pH-Wertes

Der pH-Wert eines Rasens befindet sich im Optimalfall im Bereich zwischen 5,5 und 7,0. Äußere Einflüsse und regionale Begebenheiten spielen hier eine große Rolle, ebenfalls die genaue Beschaffenheit des Bodens. Eine Änderung des pH-Wertes lässt sich nicht auf die Schnelle durchführen, sondern muss langfristig angelegt werden. Mit Kalk kann der Wert angehoben, mit Schwefeldüngung gesenkt werden. Ein zu niedriger pH-Wert wird über kurz oder lang beinahe zwangsläufig Nachteile mit sich bringen – so wird z. B. das Wachstum von Moos und Pilzen begünstigt, was den Rasen und seine Atmung wieder „verstopft“.

Da ein Rasen durch natürliche Auswaschungen von Kalk ohne sonstige Einflüsse von selbst nach und nach stetig saurer wird, sind regelmäßige Untersuchungen des pH-Werts sinnvoll. Sollte sich dieser als zu niedrig erweisen, kann mithilfe eines Streuwagens Rasenkalk eingesetzt werden, um den Wert wieder in gewünschte Bahnen zu lenken.

Der Autor

Matthias Ziegler, Volontär Fachzeitschriften öffentliche Verwaltung

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