HAFTUNG UND RECHT

Versicherungspflichten auf der Straße – Einzelfälle in der Praxis

Text: Dr. Achim Peters | Foto (Header): © underworld – fotolia.com

In der Praxis sind für eine Gemeinde Verkehrssicherungspflichten – insbesondere im Bereich kommunaler Straßen, Wege und Flächen – zu beachten. Unfälle führen hier immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten.

Auszug aus:

der bauhofLeiter
Ausgabe März 2018
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Inhalt der Verkehrssicherungspflicht auf öffentlichen Straßen ist es, soweit dies zumutbar ist, den Verkehr auf der Straße möglichst gefahrlos zu gestalten. Insbesondere müssen Verkehrsteilnehmer vor unvermuteten, aus der Beschaffenheit der Straße sich ergebenden Gefahrenstellen gesichert oder zumindest gewarnt werden, die bei zweckgerechter Benutzung des Verkehrswegs nicht ohne Weiteres erkennbar sind.

Die Sicherungen müssen nach dem Stand von Erfahrung und Technik umgesetzt werden. Ob sich eine Straße oder ein Weg in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Zustand befindet, ist im Einzelnen nach der allgemeinen Verkehrsauffassung zu beurteilen. Dabei sind die Art und die Häufigkeit der Benutzung der Straße oder des Wegs zu berücksichtigen.

Das Aufstellen von Gefahrenzeichen oder Warnschildern vor einer Gefahrenstelle ist zur Sicherung nur für eine kurze Übergangszeit ausreichend; danach müssen zumutbare Maßnahmen zur Mängelbeseitigung ergriffen werden.

Schlagloch

Gemeinden sind nicht generell dazu verpflichtet, sämtliche Schlaglöcher einer Straße zu beseitigen. Kommt ein Verkehrsteilnehmer wegen eines Schlaglochs zu Schaden, so kommt es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an, ob die Gemeinde zum Schadensersatz verpflichtet ist. So ist es Fahrradfahrern zuzumuten, bei gut erkennbaren Schlaglöchern ihre Geschwindigkeit den Straßenverhältnissen anzupassen und ggf. auszuweichen, um nicht zu stürzen. Andererseits ist es auch für einen theoretisch gedachten Idealfahrer in der Dunkelheit nicht erkennbar und vorhersehbar, wenn z. B. Asphaltstücke aufgrund Frostaufbruchs von der Fahrbahndecke abgeplatzt sind. Des Weiteren sind die Gemeinden sehrwohl dazu verpflichtet, auch kleinere Straßen zumindest so instand zu halten, dass sie mit einem Pkw gefahrlos mit Schrittgeschwindigkeit befahren werden können. In der Regel ist bei innerörtlichen Straßen deren monatliche Kontrolle auf Fahrbahnschäden erforderlich, aber auch ausreichend. Diese Straßenbegehung sollte idealerweise sorgfältig dokumentiert werden.

Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung liegt daher nur dann vor, wenn die Straße nicht regelmäßig kontrolliert wird, Schlaglöcher bei einer Kontrolle schuldhaft übersehen werden oder die Beseitigung von Schlaglöchern schuldhaft unterlassen wird. Wenn hingegen Straßenbegehungen in regelmäßigen Abständen im gesamten Gemeindegebiet stattfinden, kommt die Gemeinde ihrer Verkehrssicherungspflicht nach und muss somit nicht haften, es sei denn, ein unfallträchtiges Schlagloch ist zuvor bereits gemeldet worden, ohne dass die Gemeinde auf die Meldung reagiert hat. Unter Umständen kann es vorübergehend ausreichen, vor der Gefahrenstelle ein Warnschild („Straßenschäden!“) anzubringen.

Straßenbaustelle

Auf Baustellen hat der Bauherr oder sonstige Auftraggeber dafür zu sorgen, dass von dem Bauvorhaben keine Gefahren ausgehen, durch die Dritte Schäden erleiden können, die sich befugt auf der Baustelle aufhalten oder mit dieser in Berührung kommen. Ein Fahrradfahrer, der tagsüber bei besten Witterungs- und Sichtverhältnissen aus ungeklärten Gründen im Bereich einer Baustelle stürzt, ist i. d. R. jedoch selbst für die Folgen eines Unfalls verantwortlich. Schließlich wäre es ihm problemlos möglich gewesen, sich auf die von ihm erkannte Auffräsung einzustellen; notfalls wäre er dazu verpflichtet gewesen, von seinem Fahrrad abzusteigen. Denn ein Verkehrsteilnehmer muss sich den gegebenen Verhältnissen anpassen und eine Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Zur Verkehrssicherungspflicht gehört auch, dass derjenige, der einen Bauzaun aufstellt, grundsätzlich bis zu seiner Entfernung für dessen Standfestigkeit verantwortlich ist.

Straßenbeleuchtung

Die Verkehrssicherungspflicht bietet keine Rechtsgrundlage für eine allgemeine Beleuchtungspflicht seitens der Gemeinde. Fahrzeuge müssen deshalb bei Dunkelheit ihre Fahrweise den Sichtverhältnissen anpassen, die ihre eigene Beleuchtungsanlage herzustellen vermag (Bremsbereitschaft im Abblendlichtkreis). Nur dann, wenn trotz Fahrzeugbeleuchtung und angemessener Geschwindigkeit eine besondere Gefahrenstelle vorliegt, besteht für die Gemeinde eine Beleuchtungspflicht.

Im Übrigen ist die Straßenbeleuchtung vor allem für den Fußgängerverkehr von Bedeutung. Auch Fußgänger müssen sich nämlich bei ungenügender Beleuchtung auf diese Verhältnisse einstellen. Insbesondere haben sie ihre Gehweise an den Umstand anzupassen, dass die Straßenbeleuchtung meistens auf die Fahrbahn und nicht auf den Gehweg ausgerichtet ist. Denn gerade im Dunkeln kann es bekanntlich häufiger zu Stürzen kommen. Aus diesem Grund verletzt eine Gemeinde ihre Verkehrssicherungspflicht, wenn eine zeitweilige Abschaltung der Straßenbeleuchtung aus Gründen der Ersparnis dazu führt, dass Pflanzkübel auf dem Gehweg, die verkehrstechnische Aufgaben oder dekorative Zwecke erfüllen sollen, für Fußgänger in der Nacht nicht mehr hinreichend erkennbar sind und deshalb eine Verletzungsgefahr darstellen. Allerdings muss sich ein geschädigter Fußgänger, der über einen solchen Kübel zu Fall kommt, ein Mitverschulden entgegenhalten lassen, wenn er sich bei tiefer Dunkelheit ohne ausreichende Sicht nicht vorsichtig seinen Weg ertastet.

Im Rahmen einer regelmäßigen – monatlichen – Straßenbegehung ist auch das störungsfreie Funktionieren der Straßenbeleuchtung zu überprüfen.

Straßenreinigung; Steinschlag

Eine Gemeinde hat ihre Gemeindestraßen gezielt auf Verschmutzungen zu kontrollieren, die für andere Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenquelle bilden können.

Andererseits kann ein Verkehrsteilnehmer grundsätzlich keinen besonderen Hinweis auf eine als solche bereits deutlich sichtbare Gefahrenstelle einer Fahrbahn verlangen; kommt er auf einer derartigen Stelle zu Schaden, so hat er für die Folgen selbst einzustehen. Auch müssen Fußgänger sich jedenfalls im Herbst darauf einstellen, dass auf Gehwegen im Bereich von Laubbäumen beim Abfall von Blättern und ggf. hinzukommenden Regenwasser stets eine gewisse Rutschgefahr besteht. Der für die Straßenreinigung Verantwortliche ist nicht verpflichtet, herabfallende Blätter jeweils sofort zu entfernen. Im Bereich einer Gemeinde muss der Benutzer eines öffentlichen Wegs mithin nur vor nicht rechtzeitig erkennbaren, unvermutbaren Gefahren geschützt werden.

Trotz der Gefahr eines Steinschlags ist es nicht zumutbar, dass die Mitarbeiter des gemeindlichen Bauhofs Warnschilder aufstellen müssen, bevor sie den Grünstreifen an einer Straße mähen. Dies würde das Hochschleudern von Gegenständen (z. B. eines Steins) auch bei geschlossenem Mähwerk, das bis fast auf den Boden reicht, nicht verhindern und damit keinen besseren Schutz etwa vor der Beschädigung der Frontscheibe eines Pkw gewährleisten. Den betroffenen Straßenbereich zu sperren, wäre vollends unzumutbar.

Waldweg

Das Betreten des Waldes zum Zweck der Erholung ist nach § 14 Abs. 1 des Bundeswaldgesetzes (BWaldG) jedermann gestattet, ebenso nach Landesrecht, z. B. im Freistaat Bayern gemäß Art. 141 Abs. 3 Satz 1 der Bayerischen Verfassung. Das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Reiten im Walde sind nach dem BWaldG jedoch nur auf Straßen und Wegen erlaubt. In all diesen Fällen geschieht die Benutzung auf eigene Gefahr; eine Haftung des Waldbesitzers wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht besteht grundsätzlich nicht. Dies gilt jedoch nur für waldtypische Gefahren.

Verwirklicht sich eine für einen Wald typische Gefahr, so kann der Waldbesitzer daher i. d. R. nicht für daraus resultierende Schäden verantwortlich gemacht werden, insbesondere nicht, wenn die Gefahrenquelle für den Verletzten gut erkennbar ist oder ihm von früheren Ausflügen her bekannt war. Wer beispielsweise eine Radtour auf einem Waldweg unternimmt, der – wie meistens – nach dem Straßen- und Wegerecht nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist, aber gleichwohl häufig von Fußgängern und Radfahrern genutzt wird, kann für einen Unfall nicht den Waldbesitzer haftbar machen, wenn es zu einem Sturz und in der Folge zu Verletzungen kommt, weil der Weg unbefestigt ist sowie Löcher im Boden und Querrillen aufweist. Denn diese Gefahren ergeben sich aus der Natur des Waldes; sie sind auch bei einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes nicht zu vermeiden und deshalb als „waldtypisch“ anzusehen.

Wanderweg

Eine Gemeinde ist grundsätzlich dazu verpflichtet, das von Gemeindemitarbeitern errichtete Geländer eines „Premiumwanderwegs“, für den sie zuständig ist, in einem ordnungsgemäßen Zustand zu halten. Stürzt ein Wanderer 10,0 m in die Tiefe und verstirbt er infolge der Verletzungen, die er sich dabei zuzieht, weil das Geländer aus Baumstämmen und Ästen nachgibt, so haftet die Gemeinde wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, wenn das Geländer zum Zeitpunkt des Unfalls morsch, konstruktiv fehlerhaft und deswegen nicht standsicher war. Daneben haften auch die Gemeindemitarbeiter persönlich, die für die Wartung des Wanderwegs und insbesondere des Geländers zuständig waren, wenn sie das Geländer trotz erkannter Fehlerhaftigkeit weder instand gesetzt noch die Gefahrenstelle anderweitig gesichert haben. Voraussetzung für eine Haftungsverpflichtung ist auch in diesem Fall, dass der marode Zustand des Geländers für den verunglückten Wanderer nicht erkennbar war.

Wer organisierte Wanderungen veranstaltet, ist indessen nicht dazu verpflichtet, die Wege der von ihm angebotenen Touren ständig auf ihre Sicherheit hin zu überprüfen und rutschige oder aus anderen Gründen problematische Passagen entweder zu sperren oder vor ihnen zu warnen. Rutscht ein Wanderer auf einem nassen Weg aus und verletzt sich dabei erheblich, so ist er i. d. R. selbst für die Folgen des Sturzes verantwortlich. Besonders an einem Regentag muss ein Teilnehmer einer solchen Wanderung damit rechnen und sich darauf einstellen, dass eine erhöhte Sturzgefahr besteht.

Erst recht kann derjenige, der sich bei einem Waldcross-Hindernislauf an einem Hindernis verletzt, i. d. R. nicht den Veranstalter für die Folgen der Verletzung zur Verantwortung ziehen. Denn es ist gerade Sinn und Zweck eines solchen Laufs, dass sich die Teilnehmer an Hindernissen beweisen können, die den in freier Natur auftretenden Barrieren nachempfunden sind. Das aber bringt es mit sich, dass im Bereich der Hindernisse Unebenheiten und Unregelmäßigkeiten auftreten können, auf die sich die Teilnehmer einer solchen Veranstaltung einstellen müssen.

Winterdienst: Räum- und Streupflicht

Die winterliche Räum- und Streupflicht setzt eine konkrete Gefahrenlage voraus; ein „vorbeugendes“ Streuen ist nicht erforderlich. Grundsätzlich kann einer Gemeinde daher auch nicht zugemutet werden, das Straßennetz ständig auf unvorhersehbare Eisglätte zu kontrollieren, ohne dass nach der Wetterlage hierfür Anlass besteht. Die Gemeinde genügt ihrer Verkehrssicherungspflicht deshalb, wenn sie die für den Verkehr wichtigen Straßen und Wege in der Nacht und in den Morgenstunden auf das Vorliegen von Glatteis kontrolliert.

Sie ist nicht verpflichtet, weitere Kontrollen durchzuführen und vorbeugend zu streuen.

Der Benutzer eines Wegs hat nach einem Schneefall Anlass zu gesteigerter Aufmerksamkeit und Vorsicht, wenn er erkennen kann, dass der Weg weder von Eis und Schnee geräumt noch mit abstumpfenden Mitteln gestreut wurde. Deswegen begründet es ein ganz überwiegendes Mitverschulden des Geschädigten, der auf einem eisigen Fußgängerweg zu Fall kommt, wenn er den Fußgängerweg in Kenntnis der noch nicht abgeschlossenen Räum- und Streuarbeiten begeht, ohne sich gegen einen Sturz zu sichern. Wer einen erkennbar vereisten Weg begeht, anstatt eine sich in unmittelbarer Nähe befindliche Ausweichroute zu wählen, hat auch dann keinen Schadensersatzanspruch, wenn die Hauptroute gar nicht erst gestreut bzw. von Eis und Schnee befreit war. Kommt andererseits ein Fußgänger auf einem sich durchgängig in desolatem Zustand befindlichen Fußgängerüberweg zu Schaden, so kann sich die für den Überweg zuständige Gemeinde weder damit entlasten, dass sie kein Geld für die Instandsetzung des Überwegs habe, noch damit, dass der Fußgänger den Weg hätte meiden müssen.

Wenn bei Blitzeis der kommunale Streudienst allerdings im Dauereinsatz ist, darf und muss die Gemeinde beim Räumen und Streuen Prioritäten setzen. Freie Gehwege von 06.00 bis 22.00 Uhr kann eine Gemeinde – jedenfalls im winterlichen Bayern – nicht mit vertretbaren Mitteln gewährleisten.

Praxistipps zu den Verkehrssicherungspflichten:

  • Regelmäßige Kontrolle der kommunalen Straßen und Wege, i. d. R. einmal pro Monat.
  • Überprüfung der technischen Einrichtungen, wie z. B. Geländer und Leuchten.
  • Straße und Wege sind von unnötigen Hindernissen freizuhalten.
  • Im Winter tägliche Beobachtung der Eis- und Schneesituation – am besten in den frühen Morgenstunden – durch Inaugenscheinnahme an Ort und Stelle, aber auch aus den Medien (Wetterbericht).
  • Regelmäßige Instandsetzung und Bauunterhaltung von Bauten und Anlagen.
  • Baustelle: Sichern der Baustelle, speziell sichern von ausgehobenen Gräben und Fundamenten, von auf dem Grundstück lagernden Materialien, Aushub, Bauschutt und Arbeitsgeräten.
  • Sorgfältige Dokumentation aller durchgeführten Maßnahmen
    zur Absicherung gegen etwaige Streitfälle.
Der Autor

Dr. Achim Peters
Mitarbeiter des Alte Leipziger-Hallesche Versicherungskonzerns, Oberursel (Taunus)

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