ERFAHRUNGSBERICHTE UND INTERVIEWS

Gurken mit Mehrwert

Text: Ulrike Reschke | Foto (Header): © Staatliches Bauamt Landshut

Salzlake aus der Gewürzgurkenproduktion wird im präventiven Winterdienst verwendet. Ein bayerischer Lebensmittelbetrieb spart so bei der Wasseraufbereitung, die Straßenmeistereien benötigen weniger Salz.

Auszug aus:

der bauhofLeiter
Ausgabe Oktober 2020
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Im Gespräch mit Robert Bayerstorfer, Staatliches Bauamt Landshut, Bereichsleitung Straßenbau

Herr Bayerstorfer, bitte schildern Sie, wie die Idee zu dem Projekt entstand.

Man könnte von einer Art Nachbarschaftshilfe sprechen. Die Betriebsgelände unserer Straßenmeisterei in Dingolfing und der Firma Develey liegen direkt nebeneinander. Die Straßenmeisterei stellt die Sole, die sie in flüssiger Form auf die Straßen aufbringt, im Regelfall selbst her, indem sie Steinsalz in einem Soleerzeuger in Wasser löst. Bei der Verarbeitung von Gurken bleibt Develey jede Menge Salzwasser übrig, das über die Kläranlage entsorgt werden muss. Vereinfacht gesagt: Die einen haben genau das entsorgt, was die anderen herstellen. Und so haben sich beide Betriebe einfach zusammengetan. Wir verwenden das übrig gebliebene Salzwasser von Develey weiter und verringern so die Gesamtmenge an Salz, das in die Umwelt gelangt – eine Win-win-Situation.

Welche Chancen erhoffen Sie sich von dem Projekt?

Ganz klar: Man spart Ressourcen. Unser oberstes Ziel ist es, die Straßen für alle Verkehrsteilnehmer auch im Winter verkehrssicher zu halten und dabei auf einen ökonomischen sowie auch ökologischen Umgang mit dem Salz zu achten. Mit dem Projekt gehen Sicherheit und Umweltschutz beim Winterdienst noch mehr Hand in Hand. Und es soll natürlich auch neben dem ökologischen Mehrwert ein wirtschaftlicher Vorteil für beide Partner geschaffen werden.

 

Was geschah bisher?

Zahlreiche Tests, Abstimmungen und chemische Analysen, die im Vorfeld durchgeführt worden sind, hatten ergeben, dass die Sole ohne Bedenken auf die Straßen aufgebracht werden kann. Und so haben wir im vergangenen Winter das Pilotprojekt mit unseren Straßenmeistereien gestartet.

 

Wie viele Liter Gurkenwasser bleiben bei der Firma Develey als Produktionsrückstand zurück?

Develey verarbeitet jährlich 17.000 t Gurken. Sie landen jeden Sommer in 1.000 Silos mit Salzlake. Gehen die Gurken dann in die Produktion, bleiben pro Silo rund 10.000 l Salzwasser übrig, die mühsam in der hauseigenen Kläranlage geklärt werden müssen. Allerdings kann auch im Klärprozess das im Wasser enthaltene Salz nicht komplett zurückgehalten werden, wodurch erhebliche Salzmengen in Gewässer gelangen.

 

Das Gurkenwasser enthält 9 % Salz. Salzsole, die Eis zum Schmelzen bringt, benötigt einen Salzgehalt von rund 22 %. Wie wird das Wasser aufbereitet, damit es sich zum Einsatz im Winterdienst eignet?

Zunächst müssen Schwebeteilchen herausgefiltert werden. Anschließend wird die Sole auf dem Werksgelände von Develey in Tanks aufgefangen und „aufgesalzen“. Danach liefert ein Tanklaster die gebrauchsfertige Flüssigkeit zur Einlagerung in die Soleanlage der Straßenmeisterei. Die wiederum bringt sie auf die Straßen aus – als FS 100 Flüssigstreuung oder als FS 30 Feuchtsalzstreuung (Steinsalz in Verbindung mit Sole). Die Zahlen geben jeweils den Gewichtsanteil der Sole im verwendeten Streuverfahren an.

 

Bitte stellen Sie die Vorteile gegenüber herkömmlichem Streusalz dar.

Der Einsatz der reinen Salzsole FS 100 als Flüssigstreuung ist vor allem eine vorbeugende Maßnahme, da zur Vermeidung von Glättebildung deutlich weniger Salz benötigt wird als zum Auftauen vorhandener Glätteschichten. Wird eine Präventivstreuung herkömmlich mit Feuchtsalz FS 30 durchgeführt, ist der reine Salzanteil ca. doppelt so hoch wie bei der Flüssigstreuung mit FS 100. Somit wird der Salzverbrauch wesentlich reduziert, und die Umweltbelastungen verringern sich ebenfalls. Das ist der Vorteil der Flüssigstreuung mit Salzsole gegenüber der Feststoffstreuung mit Steinsalz ganz allgemein. Und das Gurkenwasser bietet noch einmal den Vorteil, dass man weniger Salz und Wasser braucht, um die Sole herzustellen, da ja schon eine gewisse Basis vorhanden ist.

 

Wo wurde das Verfahren bisher getestet?

Das Pilotprojekt lief hauptsächlich mit den Straßenmeistereien Dingolfing und Landshut. Die Sole wurde dort auf unseren Bundes- und Staatsstraßen präventiv als FS 100 sowie als FS 30 im Regeleinsatz verwendet.

 

Wie viele Straßenmeistereien können mit dem Gurkenwasser versorgt werden?

Das lässt sich pauschal nicht so sagen und ist von verschiedenen Faktoren abhängig, etwa: Wie streng ist der Winter? Wie groß ist das Einsatzgebiet der Straßenmeisterei? Durchschnittlich hat unser Winterdienst (Straßenmeistereien Landshut, Dingolfing, Abensberg) jährlich einen Solebedarf von 2.000 m³. Das heißt, die Firma Develey mit ihren 10.000 m³ könnte im Idealfall bis zu 15 Straßenmeistereien versorgen.

 

Wie viele Tonnen Salz und Wasser können durch das Projekt eingespart werden?

Das Pilotprojekt ermöglicht es, aktuell bis zu 200 t Salz einzusparen ohne zusätzlichen Trinkwasserverbrauch. Maximal können 1.000 t Salz und 10 Mio. l Wasser eingespart werden.

 

Gibt es Schwierigkeiten oder „Nebenwirkungen“, wie z. B. Geruch?

Nein, es hat alles wunderbar funktioniert. Es gab auch keine Nebenwirkungen. Die Sole enthält keine allergenen Bestandteile und ist weitgehend geruchsneutral. Es muss also keiner Angst haben, dass im Winter auf unseren Straßen die Autos grün werden und nach Gurken riechen.

 

Welche weiteren Schritte sind geplant?

Das Pilotprojekt ist abgeschlossen. Aktuell steht die bayerische Staatsbauverwaltung in Gesprächen mit Develey, unter welchen Rahmenbedingungen die Zusammenarbeit für beide Seiten erfolgreich fortgesetzt werden kann.

Herzlichen Dank für diesen Einblick!

Durchschnittlicher Solebedarf der Straßenmeistereien Landshut, Dingolfing, Abensberg (Bayern): 2.000 m³ (pro Saison)

Salzersparnis durch Aufbereitung des Gurkenwassers: 200 t (ohne zusätzlichen Trinkwasserverbrauch)

Maximal mögliche Ersparnis: 1.000 t Salz, 10 Mio l Wasser

Insgesamt könnten demnach bis zu 15 Straßenmeistereien versorgt werden.

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