HAFTUNG UND RECHT

Winterdienst auf Radwegen

Text: Dr.-Ing. Horst Hanke | Foto (Header): © Horst Hanke

Ein effektiver Winterdienst ist auch auf Radwegen erforderlich. Dies ist eine meist neue, sehr anspruchsvolle Aufgabe für die Kommunen. Eine aktuelle Informationsschrift des VKU gibt Hinweise und Empfehlungen.

Auszug aus:

der bauhofLeiter
Ausgabe August 2021
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Das Fahrrad war noch bis vor einigen Jahren ein Schönwetter-Verkehrsmittel. Wurde es im Sommer vor allem im Freizeitverkehr, teilweise auch im Alltagsverkehr genutzt, waren Radfahrer im Winter, insbesondere an Tagen mit Schnee- und Eisglätte, die Ausnahme. So gab es auch in der Regel keinen Bedarf für einen Winterdienst auf Radwegen, was wiederum umgekehrt dazu führte, dass Radfahren im Winter kaum möglich und vor allem sehr gefährlich war bzw. ist.

Dies hat sich nun deutlich gewandelt: Das zunehmende Umweltbewusstsein und die intensive Klimadiskussion haben bereits in den letzten Jahren zu einem deutlichen Anstieg des Radverkehrs und dessen Anteil am Gesamtverkehr geführt. Dies hat sich in Verbindung mit dem zunehmenden Ausbau der Radwege und der Entwicklung der E-Bikes in letzter Zeit deutlich beschleunigt, viele Personen benutzen das Fahrrad insbesondere in den Städten als Alltagsverkehrsmittel und dann auch im Winter.

Seit März 2020 hat die Corona-Pandemie diese Entwicklung immens beschleunigt, da viele Personen öffentliche Verkehrsmittel meiden, aber sich trotzdem umweltfreundlich fortbewegen möchten. Es liegen hierzu zwar noch keine abgesicherten Zahlen vor, aber die Radverkehrsmengen sind vielerorts drastisch angestiegen. Es ist denkbar, dass ein Teil hiervon sich nach Corona wieder normalisiert, aber es ist anzunehmen, dass beim Radverkehr die Zahlen nicht wieder auf das vorherige Niveau zurückgehen werden.

Da viele das Fahrrad auch im Winter nutzen, ist ein guter Winterdienst auf Radwegen dringend erforderlich.

 

Neue Radwege und Verkehrsregeln machen den Radverkehr attraktiv

Radwege werden in jüngster Zeit nicht nur quantitativ immer stärker ausgebaut, auch qualitativ hat sich einiges gewandelt: Die seit April 2020 geltende neue Straßenverkehrsordnung (StVO) erlaubt nun Radschnellwege und Fahrradzonen und verbessert mit neuen Verkehrsregeln nachhaltig die Bedingungen für den Radverkehr.

Radschnellwege sind quasi Rad-Autobahnen als überörtliche Schnellverbindungen mit breiten Querschnitten und ausschließlicher Nutzung durch den Radverkehr. Sie werden derzeit in zunehmendem Maße gebaut und in Betrieb genommen. Sie sind aber auch für die Städte von Belang, da sie durch die Städte durchführen bzw. in diese hinein und daher natürlich auch mit dem kommunalen Radwegenetz verknüpft werden müssen.

Fahrradstraßen, in denen der Radverkehr absolute Priorität hat, sieht die StVO zwar bereits seit einiger Zeit vor. Die Rahmenbedingungen wurden aber jetzt verbessert und die Möglichkeit geschaffen, mit Fahrradzonen sogar ein Netz aus Fahrradstraßen einzurichten. Fahrradstraßen finden dementsprechend in deutschen Städten derzeit eine rasante Verbreitung.

Hinzu kommt, dass durch neue Verkehrsregeln die Rahmenbedingungen für den Radverkehr deutlich verbessert wurden: Zu nennen sind hier Mindestabstände für das Überholen und Vorbeifahren, Überholverbote für das Überholen von Zweiradfahrern, Erlaubnis des Nebeneinanderfahrens, Halteverbote auf Radwegen und Radfahrstreifen, stärkerer Schutz der Radfahrer beim Rechtsabbiegen.

All diese Maßnahmen fördern den Radverkehr stark, und die Notwendigkeit eines effektiven Winterdienstes wird immer offensichtlicher. Allerdings stellen die neuen Formen der Radwege auch besondere Anforderungen an die Durchführung des Winterdienstes.

 

Sicherheit der Radfahrer im Winter

Radfahrer sind im Winter bei Glätte besonders gefährdet, das ergibt sich bereits aus der Dynamik des Fahrens aus zwei Rädern, besonders in Kurven.  Die labile Fahrstabilität aus zwei Rädern ist bei geringem Kraftschluss besonders kritisch, selbst bei vorsichtiger Fahrweise. Das bedeutet, dass der Winterdienst die Glätte nachhaltig beseitigen muss, wenn die Sicherheit des Radverkehrs gewährleistet werden soll; d.h. Schwarzräumung auf den Radwegen.

Befragungen der Radfahrer, die die TU Dresden im Rahmen eines Forschungsvorhabens des Bundesverkehrsministeriums durchgeführt und nun veröffentlicht hat, zeigen dann auch, dass die Radfahrer ihre eigene Sicherheit bei winterglatten Verhältnissen als besonders kritisch einstufen („subjektive Sicherheit“) und dementsprechend viele, die bei nicht-winterlichen Verhältnissen ihr Fahrrad noch benutzen, bei Glätte ihr Fahrrad stehen lassen. Der Anteil der Radfahrer, die ihr Rad bei Glätte nicht benutzen, ist örtlich sehr unterschiedlich (von wenigen Prozent bis zu drei Vierteln) und hängt maßgeblich von der Qualität des Winterdienstes ab. Mit einem guten Winterdienst kann somit sehr viel zur Förderung des Radverkehrs und damit für die Umwelt getan werden.

Die TU Dresden hat im Rahmen ihrer Untersuchungen auch gezeigt, dass die Sicherheit des Radverkehrs nicht nur subjektiv beeinträchtigt ist, sondern sich auch objektiv eine erhebliche Zunahme des Unfallrisikos bei Glätte nachweisen lässt. Das Risiko, bei Winterglätte mit dem Fahrrad zu stürzen und dabei verletzt zu werden, ist etwa 20-mal so hoch wie bei nicht-winterlichen Verhältnissen. Diese erschreckende Zahl spricht zusätzlich dafür, den Winterdienst auf Radwegen deutlich zu intensivieren und zu verbessern.

 

Wie sieht es mit den rechtlichen Verpflichtungen aus?

Radwege sind rechtlich den Fahrbahnen zuzuordnen, dort besteht eine Streupflicht auf verkehrswichtigen und gefährlichen Abschnitten.

Die Erkenntnisse zur Fahrsicherheit von Zweiradfahrern und das extreme Unfallrisiko führen zu der Schlussfolgerung, dass Radfahren bei Glätte generell besonders gefährlich ist, mindestens wären alle Kurven und alle Ausweichmanöver als kritisch einzustufen. Dies hat zur Folge, dass eine Streupflicht auf allen verkehrswichtigen Streckenabschnitten besteht, wobei natürlich die Verkehrswichtigkeit im Winter gegeben sein muss.

Das gesamte Hauptradwegenetz für den Alltagsradverkehr sollte daher im Winterdienst regelmäßig geräumt und gestreut werden. Dies ist nicht nur aus rechtlicher Sicht erforderlich, sondern auch aus Gründen der Verkehrssicherheit und der Verkehrspolitik, wenn der Radverkehr im Sinne einer nachhaltigen Mobilität gefördert werden soll.

Die Streupflicht besteht wie bei Kfz-Fahrbahnen nur während des allgemeinen Tagesverkehrs, also nicht in der Nacht. Allerdings müssen auch die Radwege mit Einsetzen des morgendlichen Berufsverkehrs gestreut sein, d. h. bis etwa 6:30 Uhr, spätestens 7:00 Uhr. Sie müssen also zeitgleich mit dem Straßenwinterdienst geräumt und gestreut werden und nicht danach.

 

Radwegetypen und ihre Bedeutung für den Winterdienst

Die zuvor bereits angesprochenen neuen Radwegtypen Radschnellweg und Fahrradstraße/Fahrradzone sind speziell als leistungsfähige und sichere Radwegeverbindung nach der StVO und den Planungsregelwerken vorgesehen. Die Einrichtung solcher Wege setzt verkehrsrechtlich voraus, dass hier der Radverkehr dominiert.

Damit sind diese Wege schon allein durch ihre Widmung und Ausschilderung als verkehrswichtig für den Radverkehr anzusehen, und damit besteht hier grundsätzlich eine Streupflicht. Das ist insofern wichtig, da Fahrradstraßen oft durch Wohngebiete und Nebenstraßen führen, die im normalen Straßenwinterdienst nicht vorrangig bedient würden bzw. wurden. Wird eine solche Straße zur Fahrradstraße umgewidmet, sollte sie dementsprechend in den Winterdienstplan vorrangig aufgenommen werden. Sie kann wegen des Ausbaus der Straßen natürlich im Rahmen des normalen Straßenwinterdienstes mit geräumt und gestreut werden und benötigt keine Spezialfahrzeuge.

Gesondert geführte Radwege sind grundsätzlich im Winterdienst einfach zu behandeln, vorausgesetzt sie haben die in den Regelwerken vorgesehenen Breiten. Hier müssen dann Schmalspurfahrzeuge eingesetzt werden. Problematisch kann hier sein, dass mancherorts die Radwege durch Hindernisse oder Poller gegen unbefugten Autoverkehr gesichert werden, die auch den Winterdienstfahrzeugen die Durchfahrt erschweren oder unmöglich machen. Eine größere Radweglänge kann aber nicht mit Handkolonnen geräumt werden, dies muss maschinell ermöglicht werden, d. h. Hindernisse müssen beseitigt oder entschärft werden (z. B. klappbare oder absenkbare Poller).

Radwege, die auf der Fahrbahn markiert sind (Radfahrstreifen und Schutzstreifen), sind beim Streueinsatz unproblematisch, da sie vom Straßenwinterdienst problemlos mitgestreut werden können. Kritisch ist hier allerdings der Räumeinsatz, da der Straßenwinterdienst diese am Rande der Fahrbahn liegenden Streifen nicht immer miträumen kann, im Gegensatz schiebt er evtl. den Schnee sogar auf diese Streifen. Das ist allerdings auch rechtlich nicht zulässig, die Radfahrstreifen müssen frei bleiben. Das heißt, dass dort, wo die Radfahrstreifen nicht in einem Zug mitgeräumt werden können, eine separate Räumung der Streifen unmittelbar im Anschluss (durch ein Radwegefahrzeug) erfolgen muss.

Dies ist ohnehin auch dann erforderlich, wenn die Radfahrstreifen durch Poller, Leitschwellen oder Verkehrsinseln von der Hauptfahrbahn abgeteilt sind. Grundsätzlich ist die Schneeablage insbesondere bei größeren Schneemengen hier ein Problem. Gegebenenfalls kann dies dazu führen, dass Schnee teilweise auch abgefahren werden muss.

Hinweise zu den verschiedenen Typen von Radwegen und deren Behandlung im Winterdienst gibt ausführlich die neue Informationsschrift 99 „Winterdienst für den Radverkehr“ des VKU, die vom Fachausschuss Winterdienst des VKU erstellt wurde und Anfang des Jahres erschienen ist.

Streustoff-Einsatz

Lange Jahre gab es erhebliche Diskussionen über den richtigen Streustoff für Radwege, oft wurden – auch aus politischen Gründen – abstumpfende Stoffe favorisiert und eingesetzt. Heutige Erkenntnisse zeigen, dass abstumpfende Stoffe für Radwege völlig ungeeignet sind, weil sie nicht nur wirkungslos für den Verkehr sind, sondern auch durch den Rollspitt-Effekt zusätzliche Risiken ergeben. Auch die oft ins Feld geführte angebliche Umweltfreundlichkeit hält näheren Betrachtungen nicht stand. Der Einsatz abstumpfender Stoffe bewirkt einen sehr schlechten Winterdienst und bringt Sturzrisiken für die Radfahrer, die nicht verantwortet werden können. Zudem führt der schlechte Winterdienst dazu, dass sehr viele Radfahrer, die bei nicht winterlicher Witterung das Fahrrad benutzen, bei Glätte auf andere Verkehrsmittel ausweichen, was zu einer schlechten Umweltbilanz führt.

Der aus verkehrlichen, rechtlichen und verkehrspolitischen Gründen erforderliche Winterdienst im Hauptradwegenetz kann nur effektiv mit dem Einsatz auftauender Streustoffe geleistet werden. Hierbei ist der Einsatz von Kehrbesen zur besenreinen Räumung mit anschließender Ausbringung von sehr geringen Mengen reiner Salzlösung (FS 100) oder Feuchtsalz (FS 30) die beste Lösung.

Wie die Befragungen und Verkehrsbeobachtungen bei Radfahrern im Winter zeigen, führt ein guter und effektiver Winterdienst nicht nur dazu, dass das Unfallrisiko minimiert wird, sondern auch dazu, dass ein deutlich höherer Anteil von Personen das Fahrrad auch im Winter nutzt. Dies ist ein erheblicher Beitrag zur Entlastung der Umwelt in den Städten. Kaum eine andere Maßnahme der Verkehrspolitik ist so stark und unmittelbar wirksam auf die Umweltbilanz. Dies gilt es auch der Politik klar zu machen, auch wenn es um Investitionen für eine effektive Winterdienst- Technik geht. Denn ein effektiver Radwegwinterdienst kostet Geld.

Information 99 – Winterdienst für den Radverkehr

Mit der Anfang 2021 erschienenen Information stellt der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) aktualisierte Informationen zum „Winterdienst auf Radwegen“ zur Verfügung. Die Schrift wendet sich zum einen an die VKU-Mitgliedsbetriebe, die den Winterdienst auf allen Flächen in ihrer Zuständigkeit durchführen, mit Tipps zum Einsatz optimaler Technik und Streustoffe gegen Glätte und Schnee sowie zum anderen an die Stadtplaner und Städtebauer mit Hinweisen zu durchgehenden Radwegenetzen und notwendigen baulichen Qualitäten der Radwege, die Voraussetzung für einen reibungslosen Radverkehr auch im Winter sind.

Die 20-seitige Broschüre kann unter www.vku.de/publikationen/2021/information-99-winterdienst-auf-radwegen/ kostenlos heruntergeladen oder unter www.vku-verlag.de/winterdienst-radverkehr bestellt werden.

Der Autor

Dr.-Ing. Horst Hanke
Vorsitzender des VKU-Fachausschusses Winterdienst

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